Heimatkalender Dezember 1997

Das ehemalige Pförtner- und Gefangenenhaus des Amtes Scharnebeck

Unser Ölgemälde von 1939 zeigt in einer stimmungsvollen Malweise ein idyllisch unter Bäumen gelegenes Fachwerkgebäude. Sieht man von der Verklinkerung ab, so hat sich das Aussehen des Hauses Mühlenstr. 4 in Scharnebeck kaum verändert. Das Gebäude hat dem Amt Scharnebeck gehört und als Pförtner- und Gefangenenhaus gedient.

Unten ist die Bauzeichnung aus dem 18. Jahrhundert zu sehen, die im Rahmen einer Bestandsaufnahme aller Gebäude der Amtsverwaltung angefertigt wurde, zu denen auch Reste der alten Klosteranlage gehörten. Ein Vergleich des heutigen Gebäudebestandes mit dieser Zeichnung ergibt, daß die Abmessungen des Hauses und die äußere Form unverändert sind. Schon 1940 allerdings ist die linke Giebelseite verputzt, später das ganze Haus verklinkert worden.

Im Jahre 1852 ist eine neue Gerichtsverfassung in Hannover eingeführt worden, was zur Auflösung des Amtes Scharnebeck als Verwaltungs- und Gerichtsstelle führte. Aus den Scharnebecker Grundstücken und Gebäuden ist eine Domäne (Staatsgut) gebildet worden, die anschließend verpachtet wurde. Zur Domäne haben damals ca. 90 Milchkühe gehört; die Melkerfamilie hat im ehemaligen Gefangenenhaus gewohnt, so auch die des Melkermeisters Nordenbruch, des Großvaters der heutigen Bewohnerin Frau Wind. Die Domänenverwaltung verkaufte schließlich 1929 die Domäne an eine Siedlungsgesellschaft. Diese bildete 19 Siedlerstellen. Ein Neusiedler wurde der ehemalige Melkermeiser Nordenbruch, der das ehemalige Gefangenenhaus erwab, welches er bereits bewohnte.

Interessant ist die Entstehungsgeschichte des abgebildeten Ölgemäldes. Es ist im Jahre 1939 von dem fünfzehnjährigen, später bekannt gewordenen Kunstmaler Otto Meyer angefertigt worden, weil dessen Begabung schon damals im Dorf bekannt war. Zur Auftragserteilung ist es wie folgt gekommen:

Bauer Norderbuch zu Otto Meyer: "Otto, kannst Du mal min Hoff mol maln?"

Otto: "Dat kann ick, denn mußt Du mi aber 'ne Platt geb'n."

Nordenbruch: "Un was krichstsg Du denn daför?"

Antwort: "Fiv Mark!"

(Otto Meyer bekam damals als Lehrling 3,00 RM die Woche)

Das Bild ist 40 cm mal 50 cm groß, in Öl auf Sperrholz gemalt. Das Gemälde wurde von der gegenüberliegenden Straßenseite aus gemalt, ungefähr von dort, wo sich heute die Hecke des Pfarrgartens befindet. Am 21.6.1996 besuchte Otto Meyer die Eheleute Wind und hielt erstmals nach 57 Jahren - sichtlich bewegt und erfreut - das Bild wieder in den Händen, von dem er zwar wußte, welches er aber inzwischen nicht wiedergesehen hatte.

Zeichnung des Hauses
Gemälde von Otto Meyer

Bild: Johann Schmidt, Scharnebeck

Bild: Gerhard Cohrs, Scharnebeck

Text: Joachim Pflücker, Scharnebeck

Das ehemalige Pförtner- und Gefangenenhaus des Amtes Scharnebeck

Gemälde des Hauses
Gemälde von Otto Meyer

Originallayout

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Heimatkalender Dezember 1997, 1. Blatt
Heimatkalender Dezember 1997, 2. Blatt