Heimatkalender Mai 1994

Eisenverhüttung wie zur Zeit der Langobarden am Kronsberg in Rullstorf

Seit Beginn der Ausgrabungen wurden immer wieder sogenannte Silikatschlacken gefunden, die auf vorgeschichtliche Eisenverhüttung hinwiesen. Ofenreste verrieten schließlich, wo auf dem Kronsberg verhüttet worden war. Sie gaben aber auch die entscheidenden Fingerzeige, mit welcher Technologie in vorgeschichtlicher Zeit Eisen gewonnen wurde. Nachdem die Ausgrabungen sich immer näher an das ehemalige Zentrum der Eisenverhüttung herangeschoben hatten, wurde auch der Umfang urgeschichtlicher Eisengewinnung auf dem Kronsberg faßbar: Allein die bislang bearbeiteten Schlackenfunde umfassen mehrere Tonnen, wobei anunehmen ist, daß dies nur einen Bruchteil der tatsächlichen Menge ausmacht. Aus den bisherigen archäologischen Forschungen sind zahlreiche Indizien über die Eisengewinnung in Nordeuropa vorhanden, doch fehlen bisland für den norddeutschen Raum Untersuchungen, die Auskunft über den genauen Zeitpunkt geben, zu dem diese Technologie aufgekommen ist. Man weiß ferner nicht genau, wie die Eisengewinnung technisch abgelaufen ist. Zwar lassen sich Form und Größe der Öfen aus den Funden ablesen (vgl. Schema), auch dürften die daraus abzuleitenden Vorstellungen über den Verhüttungsvorgang im großen und ganzen zutreffen. Es bleiben jedoch viele Fragen offen.

Wie gering unser Wissen ist, erfährt man erst durch die praktische Anwendung, wie wir im Rahmen der experimentellen Archäologie in Rullstorf feststellen mußten. In der Praxis sind nämlich Fragen, wie der mehrere Stunden dauernde Verhüttungsprozess gestaltet und variiert werden muß, wieviel Luft zugeführt werden darf, in welchem Mischungsverhältnis Holz und Holzkohle stehen müssen, von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Und Erfolg bedeutet - das wissen wir aus unseren Experimenten -, daß überhaupt gediegenes Eisen im Ofen entsteht. Für den vorgeschichtlichen Menschen durfte es von den vielen Sorten Eisen, die bei einem solchen Verhüttungsprozess hätten entstehen können, nur das weiche, kohlenstoffarme und daher schmiedbare Eisen sein. Das beispielsweise häufig aus Gußeisen oder Stahl bestehende Endprodukt war für die Weiterverarbeitung unbrauchbar. Beziehen wir ferner die Weiterverarbeitung, einschließlich der damit verbundenen Techniken, in die Betrachtungen ein, so liegt in Rullstorf ein bisher nur zum geringsten Teil erforschtes Bodenarchiv vor, das uns noch viele Fragen beantworten könnte. Aber nur wenn es uns gelänge, dieses Archiv vor der drohenden Zerstörung durch Sandabbau zu bewahren und bei nachfolgenden Ausgrabungen "zu lesen" und zu dokumentieren, dann gingen uns die im Boden verborgenen Überlieferungen nicht verloren.

Bilder und Text: Dr. Wilhelm Gebers, Hannover

Anmerkungen:

Beim Bau der Ofenschächte wurde anstehender Lehm, der mit Strohhäcksel und Sand versetzt wurde, auf ein Rutengerüst aus Unkräutern aufgetragen.

Das Raseneisenerz (Limonit)für die Versuche stammt aus Neu Boltersen und Scharnebeck.

Aus ca. 70 kg Eisenerz wurden ungefähr 2 kg schmiedbares Eisen gewonnen.

Eisenverhüttungsversuche am Kronsberg in Rullstorf

Rennfeueröfen

Im Rahmen der experimentellen Archäologie wurden nach originalen Funden diese Rennfeueröfen in Rullstorf rekonstruiert und dann zu Versuchszwecken betrieben. In der Zeit nach Chr. Geb. und bis ins 4. Jahr. n. Chr. sind Hunderte derartiger Öfen von den Langobarden auf dem Kronsberg zum Zwecke der Eisenverhüttung gebaut worden.

Originallayout

Dieser Beitrag erlaubt einen Einblick in die inhaltliche Qualität des jährlich erscheinenden Heimatkalenders.

Das Layout des Textes und der Bilder wurde den Erfordernissen des Internets angepasst. Das Originallayout der beiden jeweils DIN A4 großen Seiten kann den beiden folgenden Übersichtsbildern entnommen werden.

Heimatkalender Mai 1994, 1. Blatt
Heimatkalender Mai 1994, 2. Blatt